Beeindruckend vielfältig und genial: Pop-up-Ausstellung „Aufbruch in die Moderne“
Über den Bandhausplatz weht Pachelbels „Kanon“, gespielt von drei Schülern und Musiklehrer Daniel Strasser. Ein Schülergrüppchen in Gipsgebilden und Body Extensions wartet auf seinen Auftritt, eine stumme Performance, sie selbst als Kunstwerke, eingeschränkt in ihren Bewegungen durch Zwänge und Verbote, dargestellt durch die starren Masken und Bandagen. Vor der Heuss-Statue liegt ein unordentlich aufgerollter Teppich.
Es ist der 23. Mai, der Tag, an dem das Grundgesetz seinen 76. Geburtstag feiert. Ein von Schülern der Klasse 10a sowie aus J1 und J2 bewusst gewählter Tag für ihre ambitionierte, fächerübergreifende Pop-up-Ausstellung „Aufbruch in die Moderne – Freiheit schafft Kunst schafft Freiheit“, entstanden in Zusammenarbeit von Geschichte (Sabrina Hartmann) und Bildender Kunst (Annette Schuh, Regine Lechner-Grotz, Charlotte Reed, Maximilian Dauser), mitorganisiert als letztes Event ihrer Museumsleitung von Susanne Blach.
Der Tag erinnere, sagt der stellvertretende Bürgermeister Edgar Übelhör in seinem Grußwort, an den Gegenentwurf zu einer totalitären Diktatur mit dem Ziel, nie mehr Menschen im Namen des Staates zu töten und zu foltern. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Das heiße, dass jeder Einzelne Verantwortung übernehmen müsse, um Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenwürde zu verteidigen.
Kreativ und ausdrucksstark hätten die Schüler gesellschaftliche Veränderungen umgesetzt, ließen Kunst und Geschichte hier lebendig werden, sagt Schulleiter Michael Kugel. „Sie übernehmen Geschichte und übertragen sie in die eigene Geschichte.“ Künstler seien Seismographen ihrer Zeit, fügt Annette Schuh, federführend verantwortlich für den künstlerischen Teil der Ausstellung, hinzu und erklärt den Teppich vor Heuss: So wie dieser aufgewühlt sei, wühlten die behandelten Themen die Schüler auf.
Nach einem brillanten Text von Abiturientin Anjesa Gashi über die „Ambivalenz der Moderne“ während des Deutschen Kaiserreiches - nachzulesen im begleitenden Booklet - wechseln Akteure und Gäste ins Museum, wo auf allen Etagen Werke in beeindruckender Vielfalt und Qualität ausgestellt sind. „Die Identifikationsfläche, die durch eigene Beteiligung entsteht, ist unendlich wertvoll“, sagt Annette Schuh.
Eine auffallende Collage in feurigem Rot ist mit Textschnipseln über die Klimaerwärmung bestückt. In Stillleben finden sich Vanitas-Motive: Vergänglichkeit als Metamorphose. Ein knallbuntes Clowngesicht sticht ins Auge. Harmlos? Keineswegs! In den das Gesicht umgebenden Ballons kann man u.a. „dog whistle“ lesen. Hinter harmlos wirkenden Kommentaren oder Personen versteckt sich extrem rechtes Gedankengut, das sich so unerkannt einschleicht.
Die Kunstwerke sind vielseitig, greifen Themen auf wie Diversität, Gleichberechtigung, Gewalt oder kulturelle Aneignung.
Nach nur drei Stunden ist die faszinierende Ausstellung im Museum wieder zugeklappt. Aber sie klappt noch einmal auf: vom 23. bis 26. Juli während des Projekts „Schule als Staat“ im Zabergäu-Gymnasium, öffentlich für alle Interessierten.
Helga El-Kothany
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