Aktuelles zur Notfallpraxis Brackenheim
Im Rahmen einer Informationsfahrt des Kreistags konnten die Vertreter des Wahlkreises Zabergäu Mitglieder des Bundestags ansprechen.
MdB Link und MdB Juratovic sicherten ihre Unterstützung zu. Nach einer bekannt gewordenen Karte der KVBW sollen 18 Standorte von Notdiensten geschlossen werden. Eine Pressemitteilung der KVBW soll in den nächsten Tagen erfolgen.
In einer gemeinsamen Aktion werden die betroffenen Kommunen geschlossen hiergegen weiter vorgehen.
Schreiben aller 18 betroffenen (Ober-)Bürgermeister/-innen der Standortkommunen, deren örtliche Notfallpraxis von einer Schließung bedroht ist.
Sämtliche 18 betroffene (Ober-)Bürgermeister/-innen. darunter auch Brackenheims Bürgermeister Thomas Csaszar, haben in dieser Woche ein weiteres Schreiben an den baden-württembergischen Gesundheitsminister Manfred Lucha gerichtet. Wir drucken dies nachfolgend im Wortlaut ab:
"Sehr geehrter Herr Minister Lucha,
wir - 18 vom Volk gewählte BürgermeisterInnen und Oberbürgermeister aus Baden-Württemberg - wenden uns an Sie, weil wir in großer Sorge um die künftige Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung in unseren Städten und Gemeinden sind.
Hintergrund ist die Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, die von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (im Folgenden: KVBW) derzeit geplant wird. In diesem Zuge sollen in unseren Städten und Gemeinden gut funktionierende Notfallpraxen geschlossen werden. Das bisher von der KVBW im stillen Kämmerlein entwickelte Konzept ist seit der Vorstellung bei einem Abgeordnetenfrühstück bekannt. Ganz offensichtlich wurden aber auch die Abgeordneten vor vollendete Tatsachen gestellt. Dies und die Kriterien, mit welchen die KVBW etablierte Strukturen zerschlagen will, sind aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar und gesamtpolitisch alarmierend:
1. Kriterium: Ein bis max. zwei Praxen pro Landkreis
Pro Landkreis sollen künftig nur ein bis max. zwei Praxen vorhanden sein. Dies missachtet die Tatsache, dass es in Baden-Württemberg Landkreise unterschiedlicher Einwohnerdichte gibt. Eine Praxis in einem weniger dicht besiedelten Landkreis kann eine rechnerisch bessere Versorgung bedeuten als zwei Praxen in einem einwohnerstarken Landkreis.
Wir fordern Sie und die KVBW auf, dafür Sorge zu tragen, dass auch Einwohnerdichte als Kriterium bei der Neustrukturierung zählt. Es braucht eine flächige Ausbreitung der Notfallpraxen, sonst führt das zu unzumutbaren Fahrwegen, zu Überlastungen in den dann zuständigen Notfallpraxen mit extremen Belastungen für die dortige Ärzteschaft – zumal die neu zuständigen Notfallpraxen in den Aufbau der neuen Strukturen teilweise noch gar nicht eingebunden sind. Auch würde es zu einem überhöhten und fehlgeleiteten Aufkommen des Rettungsdienstes kommen, wie sich bereits jetzt im nördlichen Landkreis Karlsruhe nach der Schließung der Praxis in Waghäusel-Kirlach zeigt.
2. Kriterium: Praxis nur an einem Krankenhaus
Laut Planung sollen künftig nur an Krankenhausstandorten Notfallpraxen angesiedelt sein. Dies verwundert, da dieses Kriterium zahlreiche der zur Schließung anstehenden Praxen zumindest gebietsbezogen erfüllen. Für andere Standorte gilt, dass diese Verbindung von Notfallpraxis mit Krankenhaus zu noch überfüllteren Krankenhaussituationen führt und Pateinten auflaufen, welche dort eigentlich nicht hingehören.
Wir fordern Sie und die KVBW auf, dass insbesondere Notfallpraxen an Orten, an welchen sich ein Krankenhaus befindet, nicht geschlossen werden. Sonst ist eine Unterversorgung der Bevölkerung in vielen Bereichen des Landes Baden-Württemberg nicht nur zu befürchten, sondern eine von der KVBW beschlossene und von Ihnen geduldete Realität. Für Standorte ohne direkte Krankenhausanbindung ist aus unserer Sicht jeder Einzelfall zu prüfen, ob bisher übermäßig viele Notfalleinweisungen nötig waren, die eine solche Anbindung künftig rechtfertigen.
3. Kriterium der Erreichbarkeit: 95% der Bevölkerung erreichen eine Praxis in 30 Fahrminuten
Wir wissen, dass die KVBW dieses Kriterium in den Notfallbezirken nur dann nachweisen kann, wenn man den Weg mit dem Auto und ohne Verkehrsbeeinträchtigung zurücklegt. Dies ist eine massive Benachteiligung der älteren und wenig begüterten Bevölkerungsteile, die kein Auto (mehr) haben. Abgesehen davon ist die Fahrt ohne Stau in Ballungszentren eine Utopie, von der Konterkarierung der Bemühungen Ihres Kollegen Verkehrsministers, den Verkehr vom Auto in den ÖPNV zu verlagern, einmal ganz abgesehen.
Wir fordern Sie und die KVBW auf, dass dieses Kriterium nicht nur auf das Auto bezogen, sondern auch für den ÖPNV betrachtet wird. Denn wir sind uns doch sicher einig, dass Notfallversorgung nicht nur für Autofahrer sondern auch für Menschen ohne KfZ funktionieren muss. Andernfalls benachteiligt das Sozialministerium ärmere und ältere Bevölkerungsschichten und trägt durch eine Zwangsverlagerung der Fahrbewegungen auf das Auto zur Klimaverschlechterung bei.
Sehr geehrter Herr Minister, abschließend und vor allem bitte wir Sie, dass das Sozialministerium die KVBW begleitet und sicherstellt, dass diese ihrem gesetzlichen Sicherstellungsauftrag nicht nur derzeit nachkommt, sondern auch künftig nach der Neukonzeption des ärztlichen Bereitschaftsdienstes nachkommen wird. Angesichts der geplanten Schließung haben wir ernsthafte Sorgen, dass dies tatsächlich der Fall ist.
Wir fordern Sie auf, dass das Sozialministerium rasch und ernsthaft den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag überprüft. Anderenfalls entsteht doch der Eindruck, dass die KVBW machen kann, was sie will, und auch das Land Baden-Württemberg kein oder nur wenig Interesse an der Situation der Notfallversorgung in Baden-Württemberg zeigt.
Wir erwarten, dass Sie sich jetzt rasch der Sache annehmen und nicht länger untätig zusehen, wie die KVBW den funktionierenden ärztlichen Bereitschaftsdienst in unseren Städten und Gemeinden an die Wand fährt und einem Großteil der Bevölkerung eine Verschlechterung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zumuten will, obwohl die jeweiligen Strukturen vor Ort dies derzeit gar nicht erfordern.
Herr Ministerpräsident Kretschmann, Frau Dr. Reinhardt, die stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und die lokale sowie überregionale Presse erhalten jeweils eine Kopie dieses Briefes.
MIt freundlichen Grüßen
gez. 18 (Ober-)Bürgermeister/-innen"